Knapp 60 Jahre hat es gedauert, bis ich mich erstmals in meinem Leben dazu überreden ließ, an einem Segeltörn auf dem Meer teilzunehmen. Nachfolgend der Erfahrungsbericht einer „eingefleischten Landratte“ als „Greenhorn“ auf einer kleinen Hochseeyacht auf dem Atlantik. Nach der Lektüre dieses Artikels können „Segler-Neulinge“ in etwa einschätzen, was sie auf hoher See bei einem Segeltörn erwartet!
Auf unserem 7-tägigen Törn haben wir nachfolgend aufgeführten Städte und Orte des kanarische Archipels angesteuert:
Santa Cruz und Puerto San Miguel de Abone auf Teneriffa, Las Palmas (Puerto de la Luz) und Puerto Mogán („Venedig des Südens“) auf Gran Canaria, La Restinga auf El Hierro (westlichste europäische Insel!), San Sebastian auf La Gomera.
Landausflüge mit dem Mietwagen auf Teneriffa brachten uns in der zweiten Woche unter anderem auf Spaniens höchsten Berg, den „Pico del Teide“, in das Anaga- und Tenogebirge, an die 450 Meter hohen und steil abfallenden Felswände „Los Gigantes“ und den herrlichen Sandstrand mit karibischem Flair von Las Teresitas, wie auch nach Puerto de la Cruz auf der Nordseite der Insel.
Mal ehrlich, wer hat noch nicht davon geträumt, auf einem kleinen Segelboot bei angenehmen Temperaturen in südlichen Gefilden über den Atlantik zu schippern? In jeder Männerrunde schwärmt doch mindestens ein toller Typ von seinen Törns mit guten Kumpels auf hoher See. Als „Normalo“ bekommt man ja fast schon Komplexe, zugeben zu müssen, noch nie auf dem Meer gesegelt zu sein. Ich hatte genug davon, mich von manchen Freunden und Verwandten immer wieder „bemitleiden“ zu lassen, was ich in meinem bisherigen langen Leben auf dem Land in punkto Segeln doch alles verpasst hätte.
„Ok, diesmal bin ich dabei!“, gab ich mit mulmigem Gefühl meinem Bruder zu verstehen, der den Törn auf dem Atlantik plante. Immerhin ist er noch knapp fünf Jahre jünger und hat bereits jahrlange Erfahrung als Mitsegler auf Segelbooten und dies sogar schon bei Überquerung des Atlantiks. „Wirst Du nicht seekrank und wie sicher sind solche Törns auf unruhiger See in kleinen Schiffen?“ – Fragen, die ich mir zuvor immer wieder gestellt hatte und die mich bisher von einem solchen „Trip“ abgehalten hatten. Ja, und da war auch noch meine liebe Gattin, die überhaupt nicht verstehen konnte, was denn an einem Segeltörn nur mit Männern so reizvoll sein könnte. Egal, diesmal wollte ich es wissen! Ausnahmsweise sollte mein Urlaub auf den Kanaren also mal nicht im Ferienhaus stattfinden (wie z.B. auf dieser Homepage hier), sondern ich wollte den „Kick“ auf dem Wasser.
Vorab kann ich bestätigen, den Törn unbeschadet überstanden zu haben! Ganz klar, es war ein „Abenteuer“ und ich bin um einige Erfahrungen reicher und etwa 1400 Euro „ärmer“. In den genannten Kosten inbegriffen, ist eine Verlängerungswoche an Land mit Nutzung eines Mietwagens. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass wir bei privaten Freunden auf Teneriffa freundlicherweise quasi unentgeltlich übernachten konnten.
Die Reise ging von München per Flugzeug mit dem spanischen Billigliner Vueling auf die kanarische Insel Teneriffa. Im Hafen von Santa Cruz, Hauptstadt der sonnigen Insel, wartete eine 14 Meter lange Hochseeyacht mit „gebuchtem Skipper“ auf uns. Ziel war es, in sieben Tagen von Teneriffa zur Nachbarinsel Gran Canaria und von dort weiter über Nacht zur kleinsten kanarischen Insel El Hierro zu segeln. Ab El Hierro sollte es weitergehen zu der „ehemaligen“ Hippieinsel“ La Gomera und wieder zurück nach Teneriffa. Meine drei erfahrenen Mitsegler und der Skipper meinten, der Törn auf dem Atlantik sei anspruchsvoll. Schmunzelnd gaben Sie mir zu verstehen, zuversichtlich zu sein, dass ich als Neuling an Bord alles gut überstehe.
Schließlich ist bei einem solchen Törn nicht nur Fun angesagt. Wir hatten die kostengünstige Variante „Hand gegen Koje“ gebucht. Das bedeutet, dass die Mitsegler dem Skipper unterwegs zur Hand gehen müssen.
Natürlich gibt es luxuriöse Yachten mit viel Platz und Komfort. Unser Schiff war aber eine kleine Hochseeyacht mit zwei jeweils 15 Meter hohen Masten. Der Rumpf bestand aus Stahl. Innen war das Boot holzvertäfelt und mit zwei eng dimensionierten Doppelkojen und zusätzlich einer Einzelkoje für den Skipper ausgestattet.
Mir war beim Betreten des Schiffs sofort klar, dass hier wenig Platz für die Besatzung zur Verfügung stand. Jeder der sich auf einen Törn mit einem solch kleinen Schiff einlässt, muss wissen, dass er für die Dauer des Aufenthaltes seine individuelle Privatsphäre aufgibt. Nur die allernötigsten Kleider und persönlichen Utensilien sollte man mitnehmen. Platz zum Verstauen gab es auf diesem Boot wenig. Gewöhnungsbedürftig für mich auch, dass die zugeteilte Schlafstelle in der „Doppelkoje“ mit einem Seglerkollegen geteilt werden musste. Er und ich reklamierten jeden Morgen nach dem Aufwachen, wie laut der jeweils andere wieder in der Nacht geschnarcht hätte. Ansonsten hatte ich Glück, denn mein „Kojenpartner“ war ein sehr angenehmer Zeitgenosse!
Da wir alle zusammen zusätzlich 100 Euro in eine Bordkasse „eingezahlt“ hatten, wurden wir vom Skipper mit Frühstück und an manchen Tagen mit einem warmen Essen verpflegt. Legendär war der vom Skipper zubereitete Pfannkuchen. An einem Tag auf hoher See „putzten“ wir gleich zwölf dieser besonders schackhaften Exemplare von der Platte! Die gute Seeluft forciert natürlich einen guten Appetit.
Unterschätzt hatte ich den hohen Wellengang, der auf dem Atlantik vorherrschen kann. Je nach Wind- und Wellengang, kann Essen in einem solch kleinen Boot schon mal zur Tortur werden. Gläser, Teller und Flaschen können verrutschen oder umfallen, wenn sie nicht besonders gesichert werden. Aber auch das Schlafen bei hohem Wellengang kann durch die ständigen Bewegungen des Schiffs Probleme bereiten. Weil das Boot stark „durchgerüttelt“ wurde, fiel ich in der Nacht im Schlaf einmal gar aus dem Bett!
Der erste Tag auf dem Schiff See war der schwierigste! Die kleine Yacht „wackelte“ ständig hin un her, wodurch mirimmer wieder ganz flau im Magen wurde. Es herrschte Windstärke 7-8 auf der Fahrt von Teneriffa nach Gran Canaria. Ich befürchtet fast schon, seekrank zu werden und im nächsten Hafen von Bord gehen zu müssen. Aber ich hielt durch und überstand diese üblen Symptome von Tag zu Tag besser. Besonders schlimm wurde das schlechte Gefühl im Magen, wenn ich mich unter Deck im Rumpf des Schiffs aufhielt. In den Folgetagen auf See vermied ich dies und verblieb – soweit möglich – oben im Cockpit der Yacht. Gut zu wissen, dass am ersten Tag auf See auch meine erfahrenen Mitsegler ähnliche Probleme hatten!
Nicht unproblematisch waren die beengten räumlichen Verhältnisse in dem sehr kleinen Waschraum der Yacht, wo sich auch das WC befand. Bei hohem Seegang war es mitunter schwierig , das Waschbecken oder WC zu benutzen. Die vorhandene Warmwasser-Dusche konnte zudem nur über Deck unter freiem Himmel in Anspruch genommen werden. Wer im Urlaub „Vier-Sterne-Komfort“ gewohnt ist, muss auf einem solchen Boot auf manche „Gewohnheiten“ verzichten. Auch die sanitären Verhältnisse in den Yachthäfen sind – trotz der zu zahlenden „Hafenmiete“ pro Tag zwischen 15-40 Euro – vielerorts unbefriedigend.
Dennoch, das permanent schöne Wetter auf den Kanaren mit Durchschnittstemperaturen von 17-25 Grad Celsius und angenehmen Wassertemperaturen von 18-23 Grad Celsius, lassen so manche Einschränkungen im Komfort und der Hygiene vergessen und machen einen Segeltörn dieser Art zu einem besonderen Erlebnis.
Unser erfahrener Skipper hatte zu jeder Zeit die Yacht im Griff, und dies auch bei schwierigen Windverhältnissen und hohem Wellengang. Als Laie und Anfänger im Segeln konnte ich nur in etwa erahnen, wie schwierig es manchmal sein kann, die richtige Segelstellung einzustellen, wenn der Wind sich plötzlich dreht.
Natürlich durfte ich das Schiff auch zeitweise steuern. Dies war immer dann für mich problematisch, wenn kein Bezugspunkt mehr am Horizont zu sehen war und der Kurs lediglich mit Hilfe des Bordkompasses gehalten werden musste. Nachts wurde das Schiff automatisch mittels eines „Autopiloten“ gesteuert. Notwendig war dann eine zweimännige Wache, die auf Unregelmäßigkeiten, eventuell entgegenkommende andere Schiffe und den richtigen Kurs zu achten hatte. Alle zwei Stunden erfolgte ein Wechsel der Nachtwachen am Oberdeck. Es war für mich ein mehr als „unheimliches Gefühl“, in völliger Dunkelheit zu segeln und dabei auf der Fahrtroute in Richtung Ziel praktisch nichts erkennen zu können! Natürlich war das Anlegen von Schwimmwesten Pflicht!
So richtig bewusst wurde mir bei meinem ersten Segeltörn, dass es für den Aufenthalt auf einem Segelboot besondere Regeln gibt. Diese teilweise „inoffiziellen“ Regularien, dienen nicht nur der Sicherheit an Bord. Auch das persönliche Miteinander auf engstem Raum erfordert Verhaltensregeln. Was das Segeln und die Sicherheit an Bord angeht, entscheidet zum Beispiel immer der Skipper! Nicht zu unterschätzen sind zum Teil unterschiedliche Meinungen bei den Besatzungsmitglieder über jegliche gemeinsame Vorgehensweisen. So zum Beispiel, was unternimmt die Besatzung am Abend, oder welche Art von Speiselokal soll beim abendlichen Landgang in Anspruch genommen werden. Bei „Uneinigkeit“ wird abgestimmt, wobei dann die Mehrheit entscheidet.
Gewöhnungsbedürftig war für mich auch die „Zwangsverpflichtung“ aller Seglerkamaraden, in eine zweite Bordkasse einzuzahlen. Es scheint bei derartigen Törns „Sitte“ zu sein, dass die Besatzung an Land alles gemeinsam unternimmt und „kostenpflichtige“ Aktivitäten oder Restaurantbesuche aus der gemeinsamen Bordkasse gezahlt werden. Nach meinen Erfahrungen kann sich, vor allem auch wegen des individuellen „Konsumverhaltens“ der einzelnen Seglerkollegen hieraus ein „Konfliktpotenzial entwickeln. Zudem ist es nach meiner persönlichen Einschätzung für das „Klima“ an Bord und Land möglicherweise vorteilhafter, wenn die Seglerkamaraden schon vor dem Törn gut miteinander bekannt sind und sich gut verstehen.
Fazit: Mein ersters Segeltörn war ein tolles Erlebnis! „Horrorszenarien“ sind – obwohl anfangs von mir befürchtet – nicht eingetreten. Dennoch überlegen sollte sich jeder, mit wem er auf welchem Segelschiff und möglicherweise engstem Raum ohne eigene Privatsphäre immerhin eine Woche gemeinsam verbringen möchte. Der Erlebnis- und Spaßfaktor bei solchen Törns und auch den Landgängen ist meist hoch. Wie sonst lassen sich in nur sieben Tagen Eindrücke von vier traumhaften Inseln im Atlantik sammeln.
Ob es ein „zweites Mal“ gibt, habe ich bis jetzt für mich noch nicht entschieden.
Gastbeitrag von Dieter Lorig, Nalbach